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Fryzy zoomorficzne w Malborku
Zoomorphe Friese auf dem Hochschloss der Marienburg

Author(s): Tadeusz Jurkowlaniec
Subject(s): Fine Arts / Performing Arts, Architecture, Visual Arts, History of Art
Published by: Instytut Sztuki Polskiej Akademii Nauk
Keywords: Malbork, castle of Teutonic Order; architectural decoration; 13th century art; zoomorphic symbols in art;

Summary/Abstract: Zoomorphe Friese auf dem Hochschloss der Marienburg. Auf in den Friesen im Äußeren der Südseite der Marienburger Schlosskapelle sowie in den Nischen der „Goldene Pforte” genannten Portalvorhalle dieser Kapelle verwendeten, glasierten Backsteinen (ca. 17 × 14 × ca. 8 cm) finden sich ausdrucksstarke Gestalten eines Greifen, eines Hirsches, eines Löwen sowie eines Drachen, die im flachen Relief dargestellt werden (Abb. 1-15). Die Friese entstanden während der ersten Bauphase des Nordflügels des Konventshauses, die in das letzte Viertel des 13. Jahrhunderts fällt. Heute bestehen sie aus 109 (ursprünglich 110) Einzelbildern, wovon es sich bei 61 um Originale aus dem 13. Jahrhundert handelt. Die Übrigen wurden 1883 als Kopien beschädigter Originale eingesetzt (Anm. 5). Die Plazierung der Originalbilder zeigt die Abb. 4.Die Forschung in Bezug auf diese Friese setzte sich bis dahin hauptsächlich mit den Frage nach der Datierung, den künstlerischen Vorbildern sowie der Aussage dieser Darstellungen auseinander. Betont wurden die Seltenheit derartiger zoomorpher Friese in der Backsteinarchitektur des 13. Jahrhunderts, die feine Ausarbeitung der Marienburger Reliefs sowie die Differenzen hinsichtlich der Ausdruckskraft der Marienburger Löwendarstellung im Vergleich zu einer ähnlichen Darstellung auf einem aus der Komtursburg in Brandenburg am Frischen Haff stammenden Backstein (Anm. 16-25). In der Anfangszeit der Baukunst in Preußen spielten aus der Mark Brandenburg und aus Mecklenburg stammende Architekten und Ziegelbrenner eine wesentliche Rolle. Als den Marienburger Darstellungen typologisch am nächsten stehende und ungefähr zu gleicher Zeit entstandene Dekorationen dieser Art verwies man auf Friese an den mecklenburgischen Kirchen zu Steffenshagen und Boitin (Anm. 35-36, 61-65). Bogna Jakubowska beschäftigte sich mit den Marienburger Friesen besonders ausführlich (Anm. 42). Sie betonte, dass die überstilisierten Darstellungen der Friese in stilistisch-formaler Hinsicht kaum den anderen Details der Goldenen Pforte ähneln und auch nach keinerlei erkennbarer Regel angeordnet sind. Den am Hals des Greifen angehängten, mit einem Kreuz versehenen Schild wollte sie als ein apotropäisches Zeichen verstehen. Den Greif selbst interpretierte sie hinsichtlich seiner symbolischen Bedeutung indessen nicht. Dazu äußerte sich mehrfach Kazimierz Pospieszny (Anm. 30, 45, 50). Zunächst bezeichnete er das phantastische Tierwesen als Abbild „der Sünde, also des Bösen, das in diesem Falle auf den Ordensbrüdern lastet“. Weiter ist er der Meinung, dass die zoomorphen Reliefs für das allgemein zu begreifende Böse stehen, also die heidnische Welt der Prußen und der Litauer. Den apotropäischen Sinn des Marienburger Greifen mit dem Schild stellte er in Frage und wollte ihn im Zusammenhang mit anderen, „weit verbreiteten Darstellungen auf den Mauern der Deutschordensburgen, die den Kampf (die Mission) des Ordens in Preußen abbildeten“, sehen. Zuletzt beschäftigte sich mit dem Thema wiederum Bogna Jakubowska, die die in den Friesen gezeigten Tierwesen samt den Darstellungen diverser Fabelwesen in den Vorhallennischen, in den Archivolten und in den Kapitellzonen des Portals betrachtete (Anm. 2, 53). Ihrer Meinung nach repräsentieren sie alle verschiedene negative Kräfte. Den Greif mit dem an seinen Hals angebundenem Schild will sie als das vom Orden gezähmte und durch seine Hand der Vernichtung anheimfallende Böse sehen. Bei den Darstellungen auf den Friesen handelt es sich nach ihrer Auffassung um „eine Warnung vor dem Jüngsten Tag“.Hinsichtlich der Identifizierung der auf den Marienburger Friesen jeweils mehrfach dargestellten Tierwesen ist man sich in der Forschung einig. So gibt es keine Zweifel, dass es sich bei einem der Bilder um den Hirsch handelt (Abb. 9). Überwiegend eindeutig werden auch der geflügelte Drache (Abb. 11) und der (mähnenlose) Löwe (Abb. 10, 12) identifiziert. Eine mit diesem Merkmal ausgestattete Darstellung des Löwen deutet darauf hin, dass es sich hier wohl eher um das Abbild einer Löwin, eines Leoparden oder des Vertreters einer besonders aggressiver Löwenrasse handelt, deren Merkmal eben das Fehlen der Mähne ist (Anm. 75-76). Am schwierigsten zu erklären ist indessen das phantastische Tierwesen, das meist als „Greif“ bezeichnet wird (Abb. 8, 13, 25). Der Greif wird üblicherweise als ein geflügeltes Hybridwesen mit dem Leib eines Löwen und einem Adlerprotom dargestellt (Anm. 85). Das in Marienburg von rechts nach links schreitende, flügellose, schlanke Fabeltier weist einen Vogelkopf, den Leib eines Vierbeiners sowie einen zotteligen Schweif auf, der eher dem Schwanz eines Pferdes als dem eines Löwen ähnelt (Abb. 8, 13, 25). Seine vorderen Beine/Pfoten enden mit überdimensionalen Vogelkrallen, während sich die Hinterbeine auf Pferdehufen stützen, was eher unüblich ist (Anm. 86). Dieses Merkmal sowie die ebenfalls bei einem Greif sonderbare Form des Schweifs deuten darauf hin, dass es sich hier um eine seltene, flügellose Art des Hippogryphen handelt, die in Folge der Verbindung von Greifen und Stuten entstand (Anm. 87). Diese ungewöhnliche Situation beschreibt Vergil als Beispiel für unnatürliche oder unmögliche Vorkommnisse und Ausdruck unangebrachter Neigungen oder Haltungen (Anm. 88). Der Kopf des Wesens sitzt auf einem langen „Schwanenhals“ und zeichnet sich durch einen recht langen, geraden Schnabel, spitze Ohren und ein hervorstehendes, hornartiges Stirngebilde aus, das etwas größer als die Ohren ist (Anm. 89). Die bisherige Forschung übersah es gänzlich, dass hinter dem langen Hals des Wesens in seinem oberen Abschnitt offenbar ein Pfeil dargestellt wurde, oder das Geschoss gar den Hals durchbohrt (Abb. 19, 24, 25). Der Pfeil wird parallel zum Schnabel des Hippogryphen dargestellt, ohne Befiederung und mit einer linsenförmigen Blattspitze, die sich zwischen dem linken Ohr des Tierwesens und dem mit einer Schildfessel an seinen Hals angebundenen, dreieckigen, über seinem Rücken beinahe parallel schwebenden Kreuzschild befindet. Die mangelhafte Geradlinigkeit beider Abschnitte des den Hals durchbohrenden Pfeils (links und rechts des Halses) ergibt sich offenbar aus der Notwendigkeit, dieses Element in das mit anderen Details bereits recht volles Bild einzupassen. Sie deutet wohl kaum einen Bruch des Geschosses an. Die fehlende Befiederung führt wiederum zu der Überlegung, ob es sich hier tatsächlich um einen (unvollständigen) Pfeil oder eher um eine kurze Lanze handelt, sofern durch eine solche Darstellungsweise keine speziellen symbolischen Inhalte angedeutet werden sollten.Aus dem Schnabel des Mischwesens treten Feuerzungen, die eine symmetrische Entsprechung für drei wellenförmige Streifen über seinem Schweif bilden. Diese Streifen sollen wohl auf die Bewegung des Tieres hinweisen, die ein Feuer oder eine Art Druckwelle nach sich zieht. Obwohl sich der Marienburger Hippogryph von der im Mittelalter üblichen Darstellungsweise eines Greifwesens durch mehrere Details unterscheidet (Flügellosigkeit, das „Stirnhorn“, Hufe), ist er zu jenen Wunderwesen zu zählen, die für ihr feindliches Verhältnis zu Pferd und Mensch, aber auch als Wächter von Gold und Smaragden des Kaukasus und Skythiens bekannt waren. Nach im hohen Mittelalter verbreiteter Meinung waren die Einwohner Skythiens, des weiten Landes östlich der germanischen Siedlungsgebiete, Heiden, die den Versuchen ihrer Christianisierung widerstanden. Smaragde standen symbolisch für den christlichen Glauben, während die den Zugang zu den wahren Schätzen verwehrenden und damit den Fortschritten der Evangelisierung feindlich gegenüberstehenden Greife als satanische Wesen galten (Anm. 94-96). Johannes Scottus Eriugena (810-877) vertrat indes die Meinung, dass den Greifen die Tugend der Keuschheit (castitas) eigen war (Anm. 97). Im 13. Jahrhundert brachten die in den Schilden geführten Zeichen die rechtliche Stellung des Ritters zum Ausdruck; meist verwiesen sie auf sein Lehnsverhältnis. Die Schilde wurden von den Kriegern üblicherweise vor sich hergetragen. Mutmaßlich wurden die Schilde der in Gefangenschaft Geratenen ebenfalls an ihrem Hals von vorne angehängt (Anm. 107). In drei Situationen legten die Träger jedoch ihre Schilde, durch eine Schildfessel abgesichert, auf den Rücken: beim Marschieren, bei der Flucht und beim Nahkampf (Anm. 108). Somit kann der Marienburger Hippogryph mitnichten als Abbild des vom Orden besiegten Bösen gelten. Auf die positive Symbolik des kämpferischen Fabelwesens weisen: das auf seinem Schild angebrachte Kreuzzeichen, die Position des Schildes, der mit Hilfe einer Schildfessel an seinem Hals befestigt über seinem Rücken schwebt, sein Habitus sowie der Bezug zu den anderen Tierwesen. Der hier dargestellte, feuerspeiende, flügellose Hybrid, der durch das wichtigste Symbol der Christenheit und des Deutschen Ordens als ein vollendeter Kreuzritter identifiziert wird, attackiert schwungvoll einen Drachen oder – seltener – einen Löwen (Abb. 4, 14, 28), die beide für Satan stehen. Eine solche Interpretation dieser Darstellung bestätigen auch die Symbolik und die Funktion der hier gezeigten Waffen. Laut Peter von Dusburg handelt es sich beim Schild auf jeden Fall um die wichtigste und zuverlässigste Waffe im Kampf gegen den schrecklichsten Feind – Satan, die symbolisch für die Glaubensstärke steht. Eine andere Bedeutung hingegen hat der Pfeil:„Der Pfeil versinnbildlicht die Keuschheit. […] Wie ferner der Pfeil mit zwei Federn fliegt wie ein Vogel und dem Feind schnellen Tod bringt, so gebraucht auch die Keuschheit zwei Federn, um ihren alten Feind zu überwinden, nämlich die Erneuerung des alten Lebens und den Nutzen der Erneuerung. Von diesen beiden Federn spricht Isaias: Die auf den Herren hoffen, werden ihre leibliche Kraft in geistige verwandeln, sie werden Federn bekommen wie der Adler (Is 40, 31); wenn der sich erneuern will, dann legt er die alte Federn ab und bekommt neue.“ In diesem Zusammenhang scheint selbstverständlich, dass das flügellose Marienburger Mischwesen eine Verwandlung erlebt, deren Zweck darin lag, das geistige Leben der bereits im Kampfe erfahrener Ritter zu vervollkommnen. Das Fehlen der Befiederung am verbogenen (?) Pfeil hinter dem Hals des Hippogryphs weist möglicherweise auf irgendwelche Vergehen der Ritterbrüder beim Erfüllen ihrer durch die Ordensregel bestimmten Aufgaben im zu christianisierenden Preußen hin. Weniger wahrscheinlich erscheint, dass darin eine Andeutung auf gewisse, heute nicht mehr bekannte Schwierigkeiten in der Tätigkeit des aus diesem Grunde von Zantir nach Marienburg 1280 verlegten Deutschordenskonvents enthalten ist (Anm. 117).Sollte indessen der den Hals des Tierwesens durchbohrende Pfeil tatsächlich für die Keuschheit stehen, so sei noch an eine andere Passage aus dem Werk des Chronisten erinnert:„Das Fleisch des keuschen Menschen kann also mit Job sagen: Die Pfeile des Herren stecken in mir; ihr Zorn trinkt meinen unkeuschen Geist aus (Job 6, 4). Wie groß und welcher Art der Zorn der Keuschheit gegen die Ausschweifung sei, weiß niemand, der ihn nicht erfahren hat.“ Der im Hals des Greifen steckende, beschädigte Pfeil, verweist möglicherweise auf ein schweres Vergehen gegenüber der Ordensregel, dessen sich die durch das Wesen symbolisch dargestellten Ordensritter schuldig gemacht haben. Die Keuschheit – also sexuelle Zurückhaltung – zählte nämlich neben der Besitzlosigkeit und des Gehorsams zu den wichtigsten Tugenden, welchen die Ordensmitglieder zu genügen hatten. Zwecks Veranschaulichung bemüht hier Peter von Dusburg das Beispiel des Königsberger Komturs Bertold von Brühaven (Amtszeit 1289-1301) (Anm. 119). Wegen der fehlenden Befiederung könnte das Geschoss auch als ein kurzer Speer interpretiert werden, doch scheint dies nicht überzeugend, da seine Länge in etwa der Höhe der von der Reiterei genutzten Schilde entspricht (ca. 50 oder sogar ca. 70-80 cm) (Anm. 121). Über diese Waffe schrieb Peter von Dusburg:„Der gute Speer bedeutet den rechten Vorsatz nach der Lehre des Apostels: Alles, was ihr tut mit Worten und Werken, das tut im Namen des Herrn (Kol 3, 17) und Ob ihr esst, trinkt oder etwas anderes tut, alles tut zur Ehre Gottes (1 Kor 10, 31). Dieser Speer bestimmt Wert oder Unwert eines jeden Werkes, weil aus einem bösen Vorsatz niemals ein gutes Werk hervorgeht und umgekehrt.“ Unabhängig davon, wie die Waffe und ihre Position identifiziert werden (beschädigter Pfeil oder Speer hinter dem Hals oder den Hals des flügellosen Hippogryphs durchbohrend, des Fabelwesens, das symbolisch für einen eine geistige Wandlung durchmachenden Deutschordensritter steht), zeigt sich, dass das Marienburger Relief mehrere didaktisch-moralische Inhalte in sich birgt, die heute – angesichts seiner Größe, der Herstellungstechnik sowie der unzureichenden Kenntnisse über die historische Situation in Preußen gegen Ende des 13. Jahrhunderts - nur schwer zu lesen sind. Das Reliefbild war mutmaßlich als Belehrung gedacht und hatte wohl kaum apotropäische Bedeutung. Um den Sinn der tierischen Darstellungen in den Marienburger Friesen zu deuten, müssen sie in einen Bezug zueinander gebracht werden. Der Hirsch steht u. a. für eine zu Gott strebende Seele (Ps 42 [41],2), aber auch für die Taufe. Die Taufe wird bekanntlich durch die Zahl 8 symbolisiert (Anm. 69) und so viele Sprossen zählt auch das sorgfältig dargestellte Prachtgeweih des Achtenders. Die fast gleichen Löwenbilder der Friese der Marienburg und der Komtursburg Brandenburg zeigen eine spezielle Löwenart, deren symbolische Bedeutung mehrdeutig ist (Anm. 82). So verstand sie auch Peter von Dusburg (Anm. 83). Sollten wir indessen den mähnenlosen Löwen als Leoparden identifizieren, so ruft er als solcher ausschließlich negative Konnotationen hervor. Der Drache steht in religiöser Auslegung eindeutig für das Böse, genauso wie der Hirsch für das Gute. Die sich in entgegengesetzte Richtung bewegenden Tierwesen deuten eine Konfrontation des Guten und des Bösen an (der Hirsch und der Hippogryph schreiten von rechts nach links, der Drache und der Löwe von links nach rechts). Ihre derartige Ausrichtung würde dann auch im Einklang mit den der jeweiligen Seite zugeschriebenen Eigenschaften stehen: die rechte Seite sei die gute, die linke Seite die schlechte (oder böse).Die Anzahl der in der jeweiligen Schicht eingesetzten, zuweilen gekürzten Backsteine [1 und 3; Abb. 4] wird von der Größe und der Aufteilung der Wände bestimmt. Deswegen ist nicht davon auszugehen, dass diese Zahlenwerte eine symbolische Bedeutung in sich bergen. Demgegenüber nimmt der Fries [2] in der oberen Partie der äußeren Portalarkade etwa zwei Drittel der Länge des jeweiligen Arkadenbogens ein, von der Spitze an gerechnet; auf der Westseite reicht er bis zur zweiten Schicht (von oben; oder vierten von unten gerechnet) der glatten, glasierten Backsteine, obwohl sich der Abakus des Türpfostenkapitells auf der Höhe der zweiten Backsteinschicht (von unten; oder der vierten von oben gerechnet; Abb. 4). Ist das Aussehen der Archivolte seit ihrer Erbauung unverändert, so ist die Anordnung ihrer Teile entweder auf einen vorübergehenden Mangel an mit zoomorphen Darstellungen verzierten Backsteinen während der Errichtung der Wand zwischen der zweiten unteren und der zweiten oberen Schicht glatt glasierter Backsteine zurückzuführen, was eher unwahrscheinlich scheint, oder auf eine sehr entwurfgenaue Ausführung der Archivolte, deren zoomorpher Fries aus zwölf Backsteinen mit dem Bild eines Löwen im rechten Profil (westlicher Halbbogen) sowie zehn (ursprünglich elf) Backsteinen mit den entgegensetzt ausgerichteten Bildern eines Hippogryphs und eines Hirsches besteht (12×L / 3×G, J, G, J, G, 3×J, ?). Wegen der offenbar nicht zufällig gewählten Zahl (12) der Segmente des westlichen Halbbogens der äußeren Portalarkade der Goldenen Pforte können die hier abgebildeten, mähnenlosen Löwen mit den zwölf Löwen an den zum Throne Salomos führenden Stufen assoziiert werden (1. Könige 10,20; 2. Chronika 9,19). Diese zwölf Löwen stehen symbolisch für die Prediger, die in Nachfolge der Apostel für die Verbreitung des wahren Glaubens tätig waren (ordo praedicatorum, Anm. 131). Den Zweck dieser Tätigkeit und die dabei angewandte Vorgehensweise erklären die Backsteinbilder des östlichen Halbbogens, die den die Taufe symbolisch darstellenden Hirsch sowie den feuerspeienden Hippogryph zeigen, der die Kraft aus dem ihn zugleich beschützenden Glauben (Kreuzschild) schöpft. Seine Keuschheit bringt der hinter seinem Hals sichtbarer Pfeil zum Ausdruck. Sollte das Geschoss indessen den Hals durchbohrt haben, so würde es dann nicht nur „den Zorn der Keuschheit gegen die Ausschweifung“ versinnbildlichen, sondern ebenso die Bereitschaft der Kreuzritter, bei der Verteidigung des Glaubens ihr Leben hinzugeben. Ähnlich hätte auch eine Lanze als gute Absicht gedeutet werden können, die eine gute Tat hervorbringt, was auch entsprechend belohnt wird. Die ursprüngliche Anzahl der Tierwesen im Fries des östlichen Halbbogens der Archivolte (11) verbirgt – angesichts der oben aufgezeigten Deutung der zwölf Löwen (ordo praedicatorum) – mutmaßlich einen anderen Hinweis auf die Missionstätigkeit des Deutschen Ordens. So dauerte es elf Jahre, bis die Ordensritter die prußischen Heiden „dem Christenglauben machtvoll unterwarfen”. Eine natürliche Konsequenz der Ausrichtung der Tierwesen nach links (Hippogryph, Hirsch) oder rechts (Löwe, Drache) ist ihre antithetische Gegenüberstellung, die eine Auseinandersetzung suggeriert. Dabei ist zu betonen, dass eine solche Gegenüberstellung nicht unbedingt auf einen Konflikt hinweisen muss. Die Deutung des Aufeinandertreffens der Wesen hängt von der ihnen zugeschriebenen Symbolik ab. Zwei davon – der Löwe und der Greif – sind mehrdeutig; der Hirsch wurde stets positiv, der Drache hingegen stets negativ gesehen.Es ist schwer zu sagen, ob das weiße Steingesims des Südwandsockels der Kapelle (Abb. 2, 4-7) eine ästhetische oder eher eine symbolische Bedeutung hatte (architekturtechnisch spielte es sicherlich keine Rolle). Es ging hier wohl weniger darum, die Solidität der Grundmauern der Kapelle zu betonen, sondern um die Hervorhebung der symbolischen, sich auf die Missionstätigkeit des Deutschen Ordens in Preußen beziehenden Inhalte des direkt darüber verlaufenden zoomorphen Frieses. Sein Abschnitt [2.1; Abb. 4] – zwischen den Portaleingängen der Büßerzelle und des zur Empore führenden Treppenganges – kann als Darstellung des Kampfes des Ordens (Hippogryph) gegen das Böse (Drache) zwecks Bekehrung der Heiden (Hirsch) gedeutet werden. Der Sinn der Backsteinbilder im Fries östlich der Goldenen Pforte [2.3] erschließt sich hingegen nicht so leicht. Werden die die Kapelle verlassenden Mächte des Bösen (Drachen und Löwen) vom Greif nicht erfolgreich genug bekämpft, da der Drache fliehen konnte? Obwohl es kaum Zweifel daran geben kann, dass die im Fries verwendeten Darstellungen der Tierwesen gemäß den in ihnen kodierten symbolischen Inhalten angeordnet wurden, führen Versuche, die Details dieser Inhalte in den 18 Backsteinbildern der Westwand der Portalvorhalle zu deuten, mitnichten zu einem zufriedenstellenden Ergebnis. Auch die Glasurfarbe der einzelnen Backsteine (diverse Gelb- und Brauntöne, Schwarz, dunkles Grün) liefert wohl in Bezug auf die Anordnung der Bilder nach diesem Kriterium kaum zielführende Hinweise. Solange nicht bekannt ist, inwiefern die Restaurierungen der 1880ger Jahre die zoomorphen Friese verändert haben, muss von weiteren Deutungen ihrer symbolischen Inhalte abgesehen werden.

  • Issue Year: 80/2018
  • Issue No: 4
  • Page Range: 755-800
  • Page Count: 46
  • Language: Polish