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Tomis - Kustendje - Constanţa
Tomis - Kustendje - Constanţa

Tomis antique topography in maps and travel notes of Modern times (XIXth century - beginning of XXth century)

Author(s): Natalia Toma
Subject(s): Archaeology
Published by: Editura "Arhitectură. Restaurare. Arheologie"
Keywords: Tomis; antike Topographie; Urbanistik; antike Stadtmauern; Straßennetz

Summary/Abstract: Diese Studie bildet einen wissenschaftlichen Beitrag zum Denkmalschutz der antiken Stadt Tomis, dem heutigen Constanţa (Rumänien), einer Stadt, die durch die in den letzen 50 Jahren erfolgten Eingriff e in ihre urbane Struktur zahlreiche Spuren ihrer antiken Topographie verloren hat.Die milesische Kolonie Tomis wird wahrscheinlich im 6. Jh. v. Chr. auf einer auf der Ost-, Süd- und Westseite vom Schwarzen Meer umgebenen, halbinselförmigen Felsformation – im Text als Halbinsel bezeichnet – gegründet. Im Süden liegt der Hafen, der für den Wohlstand der Stadt eine wichtige Rolle spielt. Bekannt wird die Stadt erst im 1. Jh. als Verbannungsort des römischen Dichters Ovid, der wohl übertreibend über die mangelhaften urbanen Strukturen und die unsichere Stadtmauer klagt. Die rasante, vornehmlich auf Seehandel basierende Entwicklung der Stadt im 2. Jh. bringt Tomis schon in der antoninischen Zeit den Status der Metropolis der westpontischen Städte ein. Nach der diokletianischen Reichsreform (284) ist Tomis die Hauptstadt der Provinz Scythia Minor und gleichzeitig ein wichtiger Bischofssitz. Wohl in justinianischer Zeit erfolgt die Umbenennung der Stadt in Konstantiniana; ab dem 14. Jh. ist die nunmehr Kustendje genannte Stadt wie die umgebende Region osmanisch besetzt; ihre antike Geschichte gerät in Vergessenheit. Ab dem frühen 19. Jh. kehrt, im Rahmen des russisch-osmanischen Konfl ikts um das Schwarze Meer, das europäische Interesse an der Region wieder.Kustendje wird 1829 durch russische Truppen stark zerstört und verliert seine prächtige osmanische Befestigung. Die großen, ab 1850 von den Osmanen in Auftrag gegebenen Infrastrukturprojekte – der Bau der Straße Rassowa–Kustendje durch die französische Ingenieurmission von Lalanne sowie der Bahnlinie Tschernavoda–Kustendje durch eine von Barkley geleitete britische Gesellschaft – führen dazu, dass die Region und die Stadt topographischen Untersuchungen unterzogen werden, wobei auch die Reste der antiken Kultur Berücksichtigung fi nden, wie den schriftlichen Aufzeichnungen zu entnehmen ist. Nach 1878, als die Region rumänisch wird, wird die als Constanţa unbenannte Stadt der wichtigste Hafen Rumäniens am Schwarzen Meer. Auch wenn Infrastrukturprojekte wie der neue Hafen oder die Systematisierung der Stadt die urbane Struktur verändern, werden die alten topographischen Merkmale z. T. berücksichtigt und die entdeckten antiken Denkmäler, wie z.B. die Stadtmauer, entsprechend geschützt. Aus dieser Zeit stammt die Identifi zierung der römisch-byzantinischen Stadtmauer in ihrem nördlichen Verlauf (durch Pârvan veröff entlicht), aber auch die Entdeckung eines unfertigen Baus am Westrand des Hafens, der in den Veröff entlichungen Pârvans und Tafralis Erwähnung fi ndet, jedoch nie ausführlich publiziert wird. Den größten Schaden nimmt die antike Topographie durch die Baumaßnahmen der kommunistischen Ära; hervorzuheben ist die Zerstörung der alten urbanen Struktur im Westen der Stadt. In diese Zeit fallen allerdings auch wichtige Entdeckungen – der Mosaikgebäude-Komplex am Westhang der Halbinsel und der Statuenfund –, die im Rahmen von Notgrabungen, durch den Einsatz von Canarache, geborgen und z. T. auch wissenschaftlich bearbeitet werden können. Der auf vier Terrassen errichtete Mosaikgebäude - Komplex gilt seit der Veröff entlichung durch Canarache und Barbu als ein Bauwerk des 4. Jhs., eine Einschätzung, die sich vornehmlich auf die Datierung des Mosaikbodens stützt. Ein weiterer Bau am Ostrand des Hafens, die Th ermenanlage, wird aufgrund der dem Mosaikgebäude ähnlichen Bautechnik ebenfalls in das 4. Jh. datiert, auch wenn die Form der Buchstaben der erhaltenen Inschrift für eine Entstehung in severischer Zeit spricht. Diese Entdeckungen haben auch das Interesse für die antike Topographie geweckt, welche von Rădulescu (Stadtmauer und westlicher Teil der Stadt), Barbu und Chera (Nekropolen) sowie von Papuc (Wasserleitungssystem) in wissenschaftlicher Form vorgelegt wurden. Bezüglich der Stadtmauer hat sich die Meinung Rădulescus etabliert, der für eine Datierung der römisch-byzantinischen Stadtmauer in das letzte Viertel des 3. Jhs. plädiert, obwohl Suceveanu bereits 1969 Argumente für eine Datierung in das 2. Jh. vorgebracht hat.Ein Desiderat der Forschung zur Topographie von Tomis bleibt bislang ein wissenschaftlich-archäologischer Plan mit Einträgen der für eine antike Stadt relevanten Komponenten (Stadtmauer, Straßensysteme, öff entliche Räume und Bauten). Die vorliegende Studie basiert auf wiederentdecktem Kartenmaterial des 19. Jhs., welches anhand von Reise- und Grabungsberichten sowie anhand von rezenten wissenschaftlichen Abhandlungen analysiert und für eine Rekonstruktion der antiken urbanen Landschaft ausgewertet wird.Meiner Studie liegen drei alte Stadtpläne zugrunde: der Vincke-Plan (Abb. 1) aus dem frühen 19. Jh., der Polonic-Plan (Abb. 2) von ca. 1896 und der Plan von 1898 (Abb. 3), welcher die erste geplante Systematisierung präsentiert. Ein Vergleich der drei Pläne macht deutlich, dass vier Elemente urbaner Topographie einer Erläuterung bedürfen: der Verlauf der Stadtmauern und die Stadttore (Abb. 1 – 4, InN, InS und P1 – P5), der Süd-West Abhang der Stadt und der antike Hafen (Abb. 5 – 10), die antiken Wege (Abb. 1 – 4, A – I) sowie das Straßensystem im Süden der Halbinsel (Abb. 1 – 4). Nach der kritischen Auswertung der o. g. Elemente sind die Ergebnisse graphisch auf Abb. 4 und wie folgt zusammenzufassen:Der Verlauf der archäologisch als römisch-byzantinische Stadtmauer identifi zierten In zeigt eindeutig, dass die Erweiterung der römischen Stadtmauer vorrangig das Eingliedern des zum Hafen hin ausgerichteten Südwestabhangs der Stadt zum Ziel hatte. Die Ausdehnung der Stadt vor dieser Erweiterung, also von der Stadtgründung bis mindestens in die Zeit von Ovids Verbannung, ist bis heute ungeklärt; sie wird sich über den südlichen Teil der Halbinsel erstreckt haben.Die Lokalisierung des sog. Baus mit Zugangstreppe am Westrand des Hafens, in unmittelbarer Nähe der Stadtmauer, zeigt, dass der ganze zum Hafen hin orientierte Südabhang der Stadt urbanistisch erschlossen war (Abb. 5). Die bauliche Ausstattung dieses Abhangs erfolgte wohl auf Terrassen, wie der aus vier solcher Terrassen bestehende Mosaikbaukomplex erwarten lässt (Abb. 10). Die technische Beobachtung, dass sowohl der Bau mit Zugangstreppe als auch das Mosaikbauwerk und die Th ermenanlage am Ostrand des Hafens in der Technik des opus caementicium mit Schale in opus mixtum und mit vorgeblendeter Marmorarchitektur errichtet sind, zeigt in erster Linie, dass diese Bauten zeitlich der römischen Zeit zuzuordnen sind. Die Übereinstimmungen in der Bautechnik reichen aber nicht als Argument aus, um alle diese Baukomplexe einer einheitlichen Baumaßnahme zuzuweisen, zumal die Bauwerke bislang keiner Bauforschung unterzogen wurden.Der Bau mit Zugangstreppe ist als ein monumentales, mit einer marmornen scenae frons - Fassade ausgestattetes, öff entliches Bauwerk zu identifi zieren und nicht als Tempel oder Werkstatt für marmorne Architektur. Die Tatsache, dass ein Teil der marmornen Architektur Unfertigkeiten, vor allem im Bereich des Dekors aufweist, ist eher als Indiz für eine Baustelle zu deuten und dürfte, wie Parallen im Mittelmeerraum erwarten lassen, auf Mechanismen des Marmorhandels zurückzuführen sein.Die Bauornamentik und die paläographische Auswertung der Inschriften auf der marmornen Architektur liefern Argumente, um den Bau mit Zugangstreppe am Westrand des Hafens bzw. die Th ermenanlage am Ostrand des Hafens in die 2. Hälfte des 2. Jhs. oder in das frühe 3. Jh. zu datieren, was für die Entwicklung von Tomis bedeutet, dass die urbane Erschließung dieses Stadtgebietes spätestens in der severischen Zeit anzusetzen ist, mithin viel früher als zuvor anhand der Datierung des Mosaikgebäudekomplexes angenommen wurde.Alle drei hier als Beispiel angeführten Gebäude zeigen, dass der Südwestabhang der Stadt in der römischen Zeit Bauten öff entlichen Charakters beherbergte. Die Ausgrabungen im Süden der Halbinsel im Gebiet des Dom-Parkes sowie diejenigen am Osthang der Stadt sind die einzigen, welche Wohngebiete zutage gefördert haben. Verbindet man diese Beobachtungen mit den Ergebnissen der Ausgrabungen, welche Rădulescu im Norden bzw. Westen der Stadt durchgeführt hat, wo kein Wohngebiet nachgewiesen werden konnte bzw. wo überwiegend Reste von zahlreichen für Ziegelproduktion verwendeten Öfen gefunden wurden, kann man vermuten, dass sich die öff entlichen Räume der römischen Stadt an dem Abhang konzentrierten, der zum Hafen hin mit Terrassen ausgestattet war. Die Halbinsel scheint in der römischen Zeit überwiegend Wohn- und Wirtschaftsgebiete beherbergt zu haben.Aus den bisher angeführten Argumenten geht hervor, dass mindestens zwei Bauten öff entlichen Charakters, welche spätestens der severischen Zeit angehören, am West- (Bau mit Zugangstreppe) bzw. am Ostrand (Th ermenanlage) der Hafenanlage liegen. Der Bau mit Zugangstreppe befand sich in unmittelbarer Nähe der Stadtmauer (InN), deren Datierung in das letzte Viertel des 3. Jhs. fast als communis opinio in der rumänischen Fachwelt gilt. Akzeptiert man diese Datierung, so muss man annehmen, dass dieser Hafenbereich außerhalb der Protektion einer Stadtmauer lag. Bedenkt man, dass Tomis seinen Wohlstand den mithilfe des Hafens geführten Handelsaktivitäten verdankt, so erscheint die Lage dieser Anlage außerhalb der Stadt sehr unwahrscheinlich. Verbindet man diese Beobachtung mit den numismatischen und topographischen Argumenten, welche Suceveanu 1969 für eine frühere Datierung der Stadtmaueranlage (InN) zusammentrug, so ist von einer Entstehung dieser Anlage frühestens in spätantoninischer Zeit und spätestens in der severischen Zeit auszugehen.Die Ballung antiker Wege, deutlich an den sie begleitenden Nekropolen erkennbar, im Nordosten (Wege B, C, D), aber vor allem im Westen der Halbinsel (Wege G, H, I) bestätigten zum einen die Lage der wichtigsten Stadttore (P1 – P3), und erlaubt die Rekonstruktion zweier neue Tore (P4, P5) im Westen der römisch-byzantinischen Stadtmauer.Die Lokalisierung des Baus mit Treppenzugang in unmittelbarer Nähe des Stadttores P5 sowie die Erwähnung einer dort vorhandenen Straßenpfl asterung und die Markierung eines Küstenweges (Weg I) auf den alten Plänen machten die Annahme einer antiken Straße am Hafenniveau wahrscheinlich. Der Südteil der Halbinsel ist der einzige Bereich, der ein orthogonales Straßensystem tradiert. Dieser ist bereits auf den Plänen des früheren 19. Jhs. dokumentiert, einer Zeit, in der die Straßen noch die antike Pfl asterung aufwiesen. Verbindet man diese Beobachtung mit den Ergebnissen im Dom-Park, welche Reste hellenistischer bis byzantinischer Wohngebiete aufgezeichnet haben, so kann man vermuten, dass dieses Areal die ältesten Reste der antiken Wohnsiedlung beherbergt.Der heutige Ovidiu-Platz bewahrt seit dem frühen 19. Jh. den Charakter eines öff entlichen Platzes. Das Fehlen jeglicher materiellen Hiterlassenschaften erlaubt es nicht, auf die Funktion dieses Platzes in der vorosmanischen Zeit zu schließen. Die Tatsache, dass sowohl das orthogonale Straßensystem in diesen Platz mündet, als auch, dass die Terrasse A des Mosaikgebäude-Komplexes seine südliche Seite fl ankiert, weisen daraufhin, dass dieser Platz eine relevante Rolle in der urbanen Topographie gespielt haben dürfte.Bezüglich der urbanen Struktur im Norden der Halbinsel gibt es anhand des kartographischen Materials lediglich Hinweise auf zwei Straßenzüge, welche die intraurbanen Verläufe der Wege B bzw. H wiedergeben. Allein der Vincke-Plan markiert den Verlauf der osmanischen Befestigung (InS), welche nach der Einschätzung Spratt eine antike Mauer überlappen würde. Es ist sowohl epigraphisch als auch schriftlich bewiesen, dass Tomis spätestens in der hellenistischen Zeit eine Stadtmauer besessen hat, welche mit der von Ovid erwähnten Mauer übereinstimmen muss und deren Verlauf in der frühen Kaiserzeit auch einen Tumulus eingeschlossen hat. Diese frühe Stadtmauer wird den südlichen Teil der Halbinsel – bis jetzt das einzige Areal, in dem hellenistische Wohnreste identifi ziert wurden – umfasst haben und könnte in ihrem Verlauf durchaus mit demjenigen der osmanischen Befestigung übereinstimmen. Die hellenistische Befestigung wird nach der Errichtung der erweiterten In ihre Verteidigungsrolle eingebüßt haben, was aber nicht heißen muss, dass sie demoliert wurde, vor allem weil sie weiter als diateichisma genutzt worden sein kann. Ohne Bestätigung, durch systematische Untersuchungen muss die Identifi zierung der InS mitder hellenistischen Stadtmauer vorerst hypothetisch bleiben.

  • Issue Year: 2010
  • Issue No: 1
  • Page Range: 53-74
  • Page Count: 22
  • Language: Romanian