
Der spätere Widerstandskämpfer Albrecht Haushofer veröffentlichte mit Scipio (1934), Sulla (1938) und Augustus (1939) eine Dramentrilogie, die den von Bürgerkriegen geprägten Wandel von der republikanischen Aristokratie zum weltumspannenden Imperium deutet. Die historiographische und geschichtsphilosophische Konzeption entwickelt eine Analogie zur weltpolitischen Lage des frühen 20. Jahrhunderts, die als Untergang der europäischen Kulturwelt entworfen wird. Die politische Reflexion läßt sich anhand der jeweiligen Modelle politischer Führung, der Schlüsselbegriffe Recht, Maß, Form, sowie der spezifischen Verwendung der zeittypischen Polarität von Geist und Macht rekonstruieren.
More...In dieser Erörterung zum Enzensbergers Roman Der kurze Sommer der Anarchie werden spezifische geschichtstypologische Aspekte befragt, die diesen Roman konstruieren. Mit Behandlung dieser gattungsspezifischen und erzähltheoretischen Fragen wird auf den engen Konnex zwischen Fiktion und Geschichte in diesem Roman hingewiesen. Aus dieser Perspektive erweist sich der Roman als eine innovative und hybride Romanform, die eine autoreflexive Metaposition einimmt und auf eine eigentümliche Weise Möglichkeiten dokumentarischer Materialpräsentation mit grundlegenden Fragen der Historiographie in sich verquickt.
More...Im Unterschied zum ehrwürdigen historischen Drama des 19. Jahrhunderts verwandelt Dürrenmatt die Geschichte in eine Komödie der menschlichen Ohnmacht. Seine "ungeschichtlichen historischen Komödien" streben keine geschichtliche Authentizität an, sie sind vielmehr eine verzerrte Darstellung unserer chaotisch gewordenen Gegenwart und eine effektvolle Theaterkulisse für die Weltanschauung des Autors. Er genießt dabei die parodistische Umformung des geschichtlichen Stoffes, und dem Rezipienten wird die spannende Aufgabe des Durchschauens der historischen Maskerade auferlegt.
More...Der vorliegende Text setzt sich mit Döblins Wallenstein auf dem Hintergrund bestimmter literaturtheoretischer Texte desselben Autors kritisch auseinander. Deutlich gemacht wird die zutiefst inhumane Dynamik, die dieses literarische Werk dominiert, insofern es in einem gewalttätigen Erzählvorgang gesellschaftliche Gewaltvorgänge als Naturereignisse inszeniert.
More...Anhand des Lebens und Werkes des im exil verstorbenen österreichischen Schriftstellers Soma Morgenstern, und im Vergleich zu den Werken von Karl Emil Franzos und Leopold Sacher-Masoch, wird das Verhältnis zwischen Geschichte und Gedächtnis vegegenwärtigt und der Frage nachgegangen, zu welcher historischen Erinnerung diese Texte beitragen können.
More...Sperbers Romantrilogie Wie eine Träne im Ozean lässt sich zwar gut als ein mit starken autobiographischen Zügen versehener historischer Roman lesen, in dem die politischen und geschichtlichen Ereignisse in Europa der 30-er und 40-er Jahre des 20. Jahrhunderts thematisiert werden. Das Werk ist aber auch als eine Art Phänomenologie des historischen Bewusstseins anzusehen: So problematisiert ein großer Teil der Trilogie das Phänomen des kritischen Bewusstseins, vertreten durch die Romanfigur Stettens, sowie die ihm entsprechende geschichtsphilosophische Auffassung, die nicht nur theoretische Fragen erörtert, sondern sich auch als Kritik an der bestehenden gesellschaftlichen und politischen Praxis versteht.
More...Anhand einiger Bühnenwerke von Franz Kranewitter, Karl Schönherr und Felix Mitterer werden in der vorliegenden Arbeit Vorüberlegungen und Hinweise zur Gattung 'historisches Volksstück' geboten, wobei nicht nur deren formale und thematische Beschaffenheit, sondern auch das Geschichtsbild, das die gewählten Texte vermitteln, erörtert wird. Die Analyse zeigt, dass das Genre - das hier auf paradigmatische Beispiele der dramatisierten Biographie aus der Zeit um 1900 sowie um 2000 und auf das Motiv des gescheiterten sozialen oder politischen Rebellen beschränkt wird - im 20. Jahrhundert tiefgehende Veränderungen erfahren hat.
More...Franz Bleis historische Biographie des französischen Staatsmanns Talleyrand zeichnet sich (wie schon frühere Werke des Autors) durch eine hohe geschichtsphilosophische Reflexivität aus. 1932, nach rund zehnjähriger Entstehungszeit, übt das Werk Kritik an der Politik im Allgemeinen und am Krieg im Besonderen. Insbesondere kann der Text, den Blei selbst als "Testamentum spirituale" für die Deutschen bezeichnet hat, als Warnung vor dem zunehmenden Nationalsozialismus aufgefasst werden.
More...Der Beitrag geht der Frage nach, inwieweit man im Falle des Butt die erzähltechnischen Verfahren von Grass als eine Destruktion oder als eine Art parodistischer Verformung des Gattungstypus 'historischer Roman' bezeichnen kann. Die Analyse des Romans zeigt jedoch, dass das Erzählen im Butt als ein Versuch von Grass zu verstehen ist, mit neuen Mitteln eine alte Romanform zu restaurieren, um sie der Sensibilität des heutigen Lesers anzupassen. So will Der Butt unter anderem auch die Leser dazu provozieren, eigene Stellungnahmen zur Erfahrungswirklichkeit zu prüfen und eigene Vorstellungen vom Phänomen 'Geschichte' zu hinterfragen.
More...Nach Pierre Bourdieu stellt die Textsorte Literaturgeschichte eine gewichtige Konsekrations- bzw. Kanonisierungsinstanz dar. Der Beitrag beleuchtet davon ausgehend in Form einer Fallstudie die spezifische Rhetorik kanonisierenden Sprechens in Literaturgeschichten. Im Mittelpunkt stehen systematisch recherchierte normpoetologische Äußerungen zu historischen Romanen, die zwischen 1890 und 1914 erschienen und heute als positiv oder negativ kanonisiert anzusehen sind. Chronologisch nach dem Erscheinen der insgesamt 27 ausgewerteten Literaturgeschichten geordnet, ergeben sich aus den vergebenen Zensuren synchrone Phasen des literaturgeschichtlichen Wertens und Urteilens, hinter denen eine diachrone Entwicklung kanonisierenden Sprechens erkennbar wird.
More...In diesem Aufsatz geht es einerseits um das Verhältnis zwischen der Individualität des Künstlers und den Bedürfnissen und Erwartungen der bürgerlichen Gesellschaft des damaligen Deutschlands; anderseits wird versucht zu zeigen, welchen Platz märchenhafte Züge im Roman Königliche Hoheit einnehmen und welchen Einfluss diese auf die Künstlerexistenz und das Künstlerische ausüben. Es ist eine Auseinandersetzung mit Gegensätzlichkeiten, wo das Künstlertum samt märchenhafter Züge ins Bürgerliche durchdringt, sich nicht mehr auseinandersetzt sondern mit-ineinander verflicht und das 'Sein' Klaus Heinrichs bildet.
More...Es werden fünf Modelle des russischen Geschichtsromans beschrieben: der Roman nach dem Vorbild W. Scotts in der Romantik; L.N. Tolstojs Romankoloss Krieg und Frieden, der zum Muster der Roman-Epopöe als Hauptgattung des Sozialistischen Realismus avancierte; der nur ansatzweise ausgebildete kulturhistorische Roman nach dem Vorbild W.H.Riehls; der symbolistische Geschichtsroman sowie der mimetische bzw. polyphone Geschichtsroman in der Tauwetter-Literatur. Die unterschiedlichen Gattungsformen werden in Bezug zur deutschen und europäischen Entwicklung gesetzt.
More...Angeregt durch Nietzsches unzeitgemäße Betrachtung geht es um die Evaluation einer Romanform zur Zeit jenes nunmehr zurückliegenden Jahrhunderts, das sich durch ein auffallendes Nach- und Nebeneinander von hohen Errungenschaften, brutalem Terror, abgrundtiefen Katastrophen und fröhlicher Event-Stimmung auszeichnet. Was den Nutzen des historischen Romans betrifft, so schneidet das Genre bei der Abwägung nicht schlecht ab. Er ist eigentlich überall ‘dabei', obwohl er doch dem Namen nach seiner jeweiligen Gegenwart eher den Rücken zukehrt. Aber in seinem ‘Rückspiegel' sieht er erstaunlich viel, und zwar nicht nur das weit Zurückliegende, sondern auch das Näherkommende und Überholende.
More...Die Interpretation von V. Brauns Nibelungendrama versucht, die zugrunde liegende Geschichtsauffassung herauszuarbeiten. Die Aufhebung der Sukzession der Zeiten durch einen bewussten Anachronismus der Darstellung führt zur Auflösung bisheriger Rezeptionsklischees des Nibelungenliedes, zur Parodie des Tragischen, zur Kritik des Heldentums und des Untergangsmythos, aber auch zur Erkenntnis, dass im "Unerledigten" der Geschichte die Zukunft liegt.
More...Das Problem der Verbindung von Fiktion und Geschichte wird in Alfred Döblins Romantetralogie November 1918 an der literarischen Gestaltung der historischen Frauengestalt Rosa Luxemburg verfolgt, die im vierten Band der Tetralogie als Protagonistin Rosa nicht nur in ihrer politischen und emotionalen Dimension gezeigt, sondern auch als Figur interpretiert wird, die dem Autor als Medium zum Ausdruck seiner eigenen Lebenssituation im Exil dient.
More...Legendenbildung findet bereits auf der Ebene der historischen Handlung statt; sie ist nicht erst ein Ergebnis von Geschichtsschreibung und Geschichtsklitterung. Anstatt den Legenden eine weitere Fabel hinzuzufügen, reflektiert OpitzŠ Roman die Verfahren der Fabelkomposition sowie die zentrifugalen und zentripetalen Kräfte des verbal-ideologischen Lebens im Zeitalter der Reformation wie in der ehemaligen DDR.
More...Wolfgang Koeppens Text München oder die bürgerlichen Saturnalien, bisher kaum beachtet und kürzlich in einem bibliophilen Taschenbuch mit anderen München-Texten als Lob der Stadt ausgegeben, erweist sich bei einer gründlichen Analyse als komplexes und abgründiges Zeit- und Geschichtsbild auf dem Niveau der Reisebücher des Autors.
More...Die Werke von Hermann Lenz verbinden zeitgeschichtliche Bezüge mit einem besonderen narrativen Verfahren, das das schwierige Verhältnis von Subjekt und Welt formal widerspiegelt. So steht in Die Augen eines Dieners die Selbstreflexion nicht nur thematisch im Zentrum, sondern sie findet durch die Wahl einer Reflektorfigur als Medium des Erzählten auch auf der Diskursebene ihr Pendant. Brüche, Ambivalenzen und Phänomene der Uneindeutigkeit wie Anachronien, Erlebte Rede und Du-Erzählen zeugen von der Problematik des Versuchs, sich durch eine stoisch beeinflußte Lebenshaltung ein Refugium zu schaffen, und bewirken die spezifische Modernität des Textes.
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