Lajos Thallóczys encounters with the history of Bosnia-Herzegovina Cover Image

Lajos Thallóczys Begegnungen mit der Geschichte von Bosnien-Herzegowina
Lajos Thallóczys encounters with the history of Bosnia-Herzegovina

Author(s): Imre Ress
Subject(s): Ethnohistory, Political history, Nationalism Studies, 19th Century, Period(s) of Nation Building
Published by: Akademija Nauka i Umjetnosti Bosne i Hercegovine
Keywords: Positivism; Darwinism; Benjamin Kállay; Bosnian nation formation; Bosnian historical synthesis; history lessons in Bosnia and Herzegovina; Plan of a "Monumenta Bosniae";

Summary/Abstract: Der Aufsatz behandelt die theoretischen Grundlagen, die methodischen Probleme und die Forschungsthemen der wissenschaftlichen Tätigkeit des Historikers Lajos Thallóczy bis zur Jahrhundertwende. Seine Geschichtsauffassung wurde von der positivistischen Naturwissenschaftlichkeit dieses Zeitalters, von der Akzeptanz der Wirkung der naturgeographischen Gegebenheiten und von der Gültigkeit der Naturgesetze auf die menschliche Gesellschaft stark beeinflusst. Methodisch neigte er zur totalen Quellenerfassung des Positivismus und dem kritischen philologischen Faktizismus zu. Bewusst erweiterte er die Thematik und die geographischen Grenzen der ungarischen historischen Forschung und begann systematisch die Geschichtsquellen und die Geschichtsschreibung der benachbarten Balkanvölker zu studieren. In seiner Laufbahn stellte der Auftrag vom gemeinsamen Finanzminister der österreichisch-ungarischen Monarchie, Benjamin Kállay in 1884 zur Aufarbeitung der Geschichte von Bosnien und Herzegowina eine entscheidende Wende dar. Der für die Verwaltung der okkupierten Provinzen zuständige Minister erwartete von ihm die Konzipierung der „historischen Meistererzählung“ von Bosnien und Herzegowina, um mit der Bewertung der Vergangenheit zur Bildung einer gemeinsamen historischen, kulturellen und nationalen Identität der konfessionell geteilten bosnischen Bevölkerung beizutragen. Die grundlegenden inhaltlichen Elemente des fehlenden bosnischen nationalen historischen Narrativs legte Thallóczy während der Vorarbeiten des Geschichtslehrbuchs für die Grundschulen fest, mit der die Ansprüche der multikonfessionellen Schülerschaft in Betracht gezogen wurden. Das 1893 offiziell eingeführte Lehrbuch „Geschichte Bosniens und der Herzegowina für Grundschule“ wurde von seiner Geschichtsdeutung bestimmt. Während seiner zehnjährigen Forschungsarbeit brachte Thallóczy mit positivistischer Gründlichkeit aus mehr als hundert in- und ausländischen Archiven und Bibliotheken über die Geschichte Bosniens ein ansehnliches Quellenkorpus zustande. Wegen des Verbleibs der systematischen Erschließung der Archive von Ragusa und Venedig, sowie infolge der schweren Zugänglichkeit zum osmanischen Quellengut fand er dies doch nicht ausreichend, um die große historische Synthese, die Landesgeschichte Bosniens und der Herzegowina bis zum Pariser Friedenschluss von 1856 fertigzustellen. Zur Dokumentation der bosnischen Sonderentwicklung wurde die regelmäßige Edition der bosnischen historischen Quellen geplant, die mit der Veröffentlichung der gesammelten mittelalterlichen Urkunden beginnen sollte. Mit der Gründung der „Monumenta Bosniae“ wollte Thallóczy langfristig die Grundsteine für die wissenschaftliche, kritische Aufarbeitung der bosnischen Geschichte sowie für die Entstehung einer bosnisch-nationalen Geschichtsschreibung legen. Trotz der positiven Stellungnahme der Ungarischen Akademie der Wissenschaften übernahm der Gemeinsame Finanzminister, Kállay, der diese Forschungen bisher unterstützte, die Finanzierung der mehrere Jahre lang beträchtliche Ausgaben mit sich ziehenden historischen Quellenediton nicht mehr. Das Quellenmaterial, das Thallóczy während seiner Forschungen zur Geschichte Bosniens erschloss, wurde mit der Finanzierung der Ungarischen Akademie der Wissenschaften in einer neuen thematischen Quellenedition unter dem Titel „Urkundensammlung der Nebenländer Ungarns“ (= Codex diplomaticus partium Regno Hungariae adnexarum) verwertet. Dieses Vorhaben beschränkte sich nun nicht mehr auf Bosnien, sondern umfasste alle Länder und Banate entlang der südlichen Grenze des mittelalterlichen Ungarn. Über die Geschichte Bosniens lieferte Thallóczy um die Jahrhundertwende für eine breite Leserschaft eine überblickende Darstellung, die im Musterwerk des gesamtmonarchischen Patriotismus, im Bosnien-Band der bekannten Serie „Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild“, veröffentlicht wurde.

  • Issue Year: 2010
  • Issue No: 40
  • Page Range: 53-80
  • Page Count: 28
  • Language: German