George Orwell trifft George Bush: » 1984 « neu gelesen Cover Image

George Orwell trifft George Bush: » 1984 « neu gelesen
George Orwell trifft George Bush: » 1984 « neu gelesen

Author(s): Timothy Snyder
Subject(s): Politics / Political Sciences, Language and Literature Studies, Post-War period (1950 - 1989), Transformation Period (1990 - 2010)
Published by: Institut für die Wissenschaften vom Menschen
Keywords: George Bush ; George Orwell ; 1984

Summary/Abstract: George Orwells 1948 verfasster Roman 1984 ist als eine beängstigende Beschreibung der Macht des Kommunismus über das Denken der Menschen gedeutet worden. Als der Roman im Jahr 1984 neuerlich Aufmerksamkeit erfuhr, bezweifelte niemand, dass er von der Sowjetunion handelte, dem »Reich des Bösen« in der berühmten Wendung von Ronald Reagan. Aber wenn man ihn heute nochmals liest, gibt einem der Ort der Handlung zu denken. Die Geschichte spielt nicht in Moskau, sondern in London. London und Britannien sind einem größeren transatlantischen Imperium namens Ozeanien einverleibt worden. Das Herzland Ozeaniens sind die heutigen USA. In der von Orwell beschriebenen Welt ist nicht der Sozialismus gescheitert, sondern die Modeme. Der Staat ist stärker als die Gesellschaft, und die Herrschenden haben Methoden gefunden, sich ihre Macht auf Dauer zu sichern und der Bevölkerung gleichzeitig Wohlstand und Freiheit vorzuenthalten. Zwar lässt Orwell es nicht an Beschreibungen von Folter fehlen, doch ist die Gewalt nicht sein eigentliches Thema. In Ozeanien glauben die Menschen durchweg, was ihre Herrscher ihnen sagen, weil sie ihren Widerspruch nicht mehr zu artikulieren vermögen oder weil es ihnen an der Vorstellungskraft mangelt, Alternativen zu denken. Das wahre Thema Orwells ist die Macht des Staates, eigenständiges Denken zu unterbinden.

  • Issue Year: 2004
  • Issue No: 28
  • Page Range: 029-036
  • Page Count: 8
  • Language: German