“Meine Trauer war (k-)eine Krankheit?” Achronological Narration of Prolonged Grief Disorder in Olga Grjasnowa’s Der Russe ist einer, der Birken liebt Cover Image

„Meine Trauer war (k-)eine Krankheit“? Achronologisches Erzählen einer anhaltenden Trauerstörung in Olga Grjasnowas Der Russe ist einer, der Birken liebt
“Meine Trauer war (k-)eine Krankheit?” Achronological Narration of Prolonged Grief Disorder in Olga Grjasnowa’s Der Russe ist einer, der Birken liebt

Author(s): Anna Maria Spenner
Subject(s): Language and Literature Studies, Psychology, German Literature, Theory of Literature
Published by: Filozofski fakultet, Sveučilište Josipa Jurja Strossmayera, Osijek
Keywords: Prolonged grief disorder; grief as disease; time perception (narratology); contemporary German Jewish literature; Olga Grjasnowa; Der Russe ist einer; der Birken liebt;

Summary/Abstract: Olga Grjasnowas Debütroman Der Russe ist einer, der Birken liebt (2012) ist literaturwissenschaftlich bereits häufig hinsichtlich der Symptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung der Ich-Erzählerin Mascha untersucht worden. Demgegenüber wird hier eine Lesart der erst kürzlich als eigenständige Diagnose in die Revision der ICD-11 aufgenommenen anhaltenden Trauerstörung bemüht, da deren physische wie psychische Symptomatik zutiefst mit der narratologischen Darstellungsform des Textes verwoben scheint. Maschas infolge des Todes ihres Lebenspartners eintretende Trauer als Störung schreibt sich nicht allein auf inhaltlich-thematischer Ebene in den Text ein, sondern zugleich auffällig (auch visuell) als Störung der Struktur des Erzählens selbst. Während Mascha im Zuge ihres Israelaufenthalts, den sie antritt, um zu trauern, schließlich den Gedanken äußert, Israel „war kein Sanatorium“ und ihre „Trauer war keine Krankheit“, wird im Aufsatz dargelegt, inwiefern der Romantext und dessen entrückte, ja selbst sogar angehaltene Zeit vielmehr anstelle eines Sanatoriums zum Aushandlungsort der Trauer als Krankheit werden, als (raum-)zeitlich vager, letztlich gar seine eigene achronologische Zeitform generierender (ewiger?) Aufenthalt im Krankheitszustand. Der Roman endet offen und entgegen der restlichen präteritalen Narration im Präsens, das (Über-)Leben der Ich-Erzählerin bleibt aufgrund einer eventuell erlittenen Verletzung fraglich, allein die Trauer ist und bleibt präsent, d. h. anhaltend, in ihrer auch historischen Begründetheit, die sich bis in die (Erzähl-)Gegenwart hinein fortschreibt, und sich nicht als bewältigt, gar als geheilt respektive überhaupt heilbar erweist.

  • Issue Year: 8/2021
  • Issue No: 2
  • Page Range: 457-476
  • Page Count: 20
  • Language: German